Abstract
Die vorliegende Arbeit ist eine kontrastive akustische Fallstudie zwischen Deutsch und Norwegisch in Bezug auf die Langvokale [iː] und [eː] und die Kurzvokale [ɪ] und [ɛ]. Traditionellen Lehrbüchern der artikulatorischen Phonetik zufolge ist es schon lange bekannt, dass besonders das lange [eː] im Deutschen viel höher/enger und das kurze [ɪ] tiefer/offener als die entsprechenden Vokale im Norwegischen gesprochen wird.
Seit längerer Zeit hat die Verfasserin dieser Masterarbeit den Eindruck, dass das kurze [ɪ] im Deutschen sogar tiefer als das lange [eː] gesprochen wird, insbesondere von jüngeren Deutschen, die sich der Standardsprache bedienen.
In einigen Lehrwerken älteren und jüngeren Datums über deutsche Vokalqualitäten liegen akustische Messwerte vor, die darauf hindeuten, dass das deutsche kurze [ɪ] tiefer und sogar etwas zurückgezogener (mit gerundeten Lippen?) gesprochen wird als das lange [eː] In Lehrbüchern in artikulatorischer Phonetik wird aber das kurze deutsche [ɪ] immer höher eingestuft als das lange deutsche [eː] im Vokalviereck.
In dieser Arbeit wurden akustische Messungen von den Formanten der gegebenen Vokale im Deutschen und Norwegischen vorgenommen. Es wurde hauptsächlich mit bilingualen Testpersonen gearbeitet, die längere Texte, aber auch phonetische Einzelwörter in Rahmensätzen lasen. Die Aufnahmen wurden segmentiert und die isolierten Vokale anschließend mit Hilfe des Programms „Praat“ analysiert, um die Formantenwerte zu erzeugen. Die Ergebnisse waren deutlich. Wenn man die akustischen Werte in artikulatorische Beschreibungen umsetzt, wird das deutsche kurze [ɪ] sehr tief gesprochen (hohe F1-Werte), tiefer als das deutsche lange [eː]. Zusätzlich ist es jedoch auch sehr zurückgezogen (niedrige F2- und F3-Werte).
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich des Weiteren mit der Frage, wie man diese Ergebnisse auf nützliche Weise in den Fremdsprachenunterricht implementieren kann. Welche Probleme bereitet eine so tiefe Aussprache des [ɪ]-Vokals ausländischen – insbesondere norwegischen Deutschlernenden? Sollte man das [ɪ] in künftigen Lehrbüchern dort eintragen, wo es nach Qualität hingehört, also tiefer im Vokalviereck als das [eː]?
Da es eine Tatsache ist, dass sämtliche Testpersonen dieser Arbeit das deutsche [ɪ] tiefer und zentraler als das deutsche [eː] artikulieren, ist es auch sinnvoll diese Ergebnisse im artikulatorischen Vokalviereck widerzuspiegeln.